Geschäftsführer: Übergang eines Arbeitsverhältnisses durch Betriebsübergang,
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 1. September 2000 bei der P GmbH als kaufmännischer Angestellter beschäftigt und wurde schließlich im Dezember 2013 zu deren Geschäftsführer bestellt. Ein entsprechender Geschäftsführerdienstvertrag wurde weder schriftlich noch mündlich geschlossen, so dass er auf Basis seines Arbeitsvertrages weiter tätig war. Am 20. Dezember 2017 verständigte sich der Kläger im Rahmen einer „Änderung zum Arbeitsvertrag“ mit der alleinigen Gesellschafterin der P GmbH auf neue Arbeitszeitregelungen, wobei man sich im Übrigen darauf einigte, dass alle anderen Bestandteile des Vertrags bestehen bleiben sollten. Die P GmbH beschäftigte neben dem Kläger noch elf Arbeitnehmer und zwei Auszubildende, so dass das Kündigungsschutzgesetz anwendbar war.
Nachdem im Oktober 2019 das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der P GmbH bestellt worden war, wurde der Geschäftsbetrieb der P GmbH zunächst weitergeführt. Mit Beschluss vom 15. Januar 2020 wurde über das Vermögen der P GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, der das Arbeitsverhältnis des Klägers „sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis“ mit Schreiben vom 15. Januar 2020 kündigte. Das entsprechende Kündigungsschreiben ging dem Kläger am Vormittag des 16. Januar 2020 zu. Daraufhin erklärte der Kläger am 16. Januar 2020 in einer an den Geschäftsführer und den Insolvenzverwalter adressierten und um 14:56 Uhr gesendeten E-Mail, dass er das Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung niederlege.
Der Kläger hat daraufhin die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen § 613 Abs. 4 BGB gegenüber dem Insolvenzverwalter als Beklagtem zu 1 und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten zu 2 auf diese geltend gemacht. Hier führte er an, dass die Beklagte zu 2 den wesentlichen Geschäftsbetrieb der P-GmbH übernommen habe. Im Übrigen sei die Kündigung durch den Insolvenzverwalter, unabhängig von § 613 Abs. 4 BGB, der Kündigungen wegen eines Betriebsübergangs ausschließt, unter Berücksichtigung von § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Beklagten haben hiergegen eingewandt, dass das Kündigungsschutzgesetz aufgrund der Organstellung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung finden könne und ferner der Kläger das Amt im Übrigen nicht wirksam niedergelegt habe und er noch als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Im Übrigen sei auch ein Betriebsübergang nicht erfolgt.
Während das Arbeitsgericht der Klage insgesamt stattgegeben hat, hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Klage im Berufungsverfahren vollständig abgewiesen. Das BAG hob das Urteil des LAG auf.
Entscheidung
Das Gericht erklärte, dass der Kläger sich bezüglich der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung nicht auf das KSchG berufen könne, da er bei Zugang des Schreibens noch die Organstellung als Geschäftsführer bekleidet habe. Die Niederlegung sei erst danach erfolgt. Weiter merkt es an, dass es auf die Eintragung im Handelsregister nicht ankomme, da diese rein deklaratorisch sei. Folglich sei ihm der Einwand abgeschnitten, die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt. Auch der Umstand, dass die Parteien hier einen Arbeitsvertrag geschlossen hätten, nicht im Rahmen der Bestellung zum Geschäftsführer diesen durch einen Dienstvertrag ersetzt hätten, führe nicht zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Die Fiktionswirkung des §14 KSchG komme auch hier zum Tragen, da Organe ganz aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzes herausfallen sollten.
Im Hinblick auf den seitens des Klägers angeführten Betriebsübergang führt das BAG jedoch aus, dass diesbezüglichen Regelungen des §613 a BGB hier anwendbar seien, einschließlich des Kündigungsverbots nach Absatz 4, wenn der Kläger auf Basis eines Arbeitsvertrages tätig sei. Die Organstellung schließe das nicht aus. Eine Nichtanwendung des § 613a BGB in dem speziellen Fall, dass der Arbeitnehmer zugleich eine Organstellung innehat, lehnt es ab, da bei einem Geschäftsführer stringent zwischen dem Anstellungs- und dem Organverhältnis zu unterscheiden sei. Auch liege insoweit keine planwidrige gesetzliche Lücke vor, die zu einer anderen Auslegung führen könne.
Damit geht also, so das BAG, hier das Arbeitsverhältnis, falls eine Betriebsübergang gegeben sei, auf den Erwerber über, was aber wiederum nicht für die davon zu trennende Organstellung gelte. Der Arbeitnehmer habe auch keinen rechtlichen Anspruch auf Bestellung zum Organ des Übernehmers, wobei der Arbeitnehmer aber auf Basis des Arbeitsvertrages eventuell Anspruch auf Ausübung der Tätigkeiten habe, die er als Geschäftsführer auf Basis des Arbeitsvertrages ausgeübt habe. Wurde der Kläger aufgrund eines Arbeitsvertrages als Geschäftsführer tätig, gelte der gegenüber dem Erwerber bestehende Kündigungsschutz des § 613a Abs. 4 BGB somit grundsätzlich auch zu seinen Gunsten und zwar unabhängig von der etwa zugleich bestehenden Organstellung.
Das BAG verwies den Fall zur Entscheidung an das LAG zurück, so dass dieses Feststellungen zum Vorliegen eines Betriebsübergangs treffen könne, aber auch ob die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt sei. Sei dies der Fall, sei die Kündigung wegen Verstoßes gegen §613 a Abs. 4 BGB unwirksam.
Praxishinweis
Das Urteil hat Bedeutung im Hinblick auf Asset-Deal-Transaktionen. Wann immer Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wesentliche Wirtschaftsgüter übernommen und ein bereits eingerichteter Betrieb nahezu unverändert vom Erwerber fortgeführt werden soll, ist unter anderem genau zu prüfen, ob der Geschäftsführer des übergehenden Betriebs auf Basis eines Arbeitsvertrages oder auf Basis eines Dienstvertrages tätig wird. Dies ist entscheidend für den Übergang dieser Rechtsbeziehung.
Dieses Urteil lehrt in eindrucksvoller Weise, dass viel zu oft von dem Regelfall ausgegangen wird, der Geschäftsführer habe stets einen Dienstvertrag mit der Gesellschaft geschlossen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass eine große Anzahl von Arbeitnehmern zunächst als Arbeitnehmer für die Gesellschaft tätig werden und anschließend aufgrund ihrer besonderen Leistungen zum Organ der Gesellschaft bestellt werden. Das Urteil wirkt sich auch in erheblicher Weise auf die Verhandlungsparität bei Asset-Deal-Transaktionen aus. Häufig ist der Erwerber nicht an dem Übergang des Geschäftsführer-Arbeitsverhältnisses interessiert: Erstens ist das Geschäftsführergehalt meistens ein erheblicher Kostenfaktor und zweitens ist der Erwerber häufig nicht an der Arbeitskraft des Geschäftsführers interessiert, entweder weil er über eigenes Personal verfügt oder weil er die Kompetenz des Geschäftsführers in Frage stellt.
Von Bedeutung ist ferner, dass die Kündigungsschutzvorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes selbst dann keine Anwendung finden, wenn der zum Organ der Gesellschaft bestellte Geschäftsführer auf Basis eines Arbeitsvertrages tätig wird und ihm die Kündigung zugeht, bevor sein Amt als Geschäftsführer endet. Es empfiehlt sich also, einen möglicherweise bestehenden Arbeitsvertrag ggf. zu kündigen, bevor die Abberufung vom Amt des Geschäftsführers erfolgt.
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