Schadensersatz nach DSGVO wegen unerlaubter Verwendung von Foto- und Videoaufnahmen
Hintergrund
Bei der Anbahnung oder während der Durchführung eines Arbeitsverhältnisses müssen Arbeitgeber personenbezogene Daten ihrer Mitarbeiter verarbeiten. Eine entsprechende Datenverarbeitung zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses ist regelmäßig erforderlich und liegt im berechtigten Interesse des Arbeitgebers. Die Veröffentlichung von Bild- oder Videomaterial eines Mitarbeiters (z.B. auf der Homepage des Unternehmens) durch den Arbeitgeber bedarf hingegen der ausdrücklichen Einwilligung des Arbeitnehmers. Eine solche Einwilligung ist üblicherweise nur für den Zeitraum des Bestandes des Arbeitsverhältnisses gegeben, aber auch jederzeit widerrufbar. Nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses kann es zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu Streit über die weitere Verwendung personenbezogener Daten wie eben Bildmaterial kommen. Dies zeigt auch die hier besprochene Entscheidung des LAG.
Sachverhalt
Der Kläger arbeitete bis zum 30. April 2019 als Werbetechniker bei der Beklagten. Seit 1. Mai 2019 war er bei einem Wettbewerber der Beklagten tätig. Während der Anstellung bei der Beklagten wurden mit Wissen und Einverständnis des Klägers Bilder bei der Ausübung seiner Tätigkeit angefertigt und ein kurzes Werbevideo produziert, das den Kläger als Schulungsleiter zeigt. Auch nach Ausscheiden des Klägers verwendete die Beklagte die Aufnahmen weiterhin zu Werbezwecken. Eine Einwilligung des Klägers zur Nutzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses lag nicht vor. Der Kläger forderte die Beklagte mehrfach zur Löschung auf. Diesem Verlangen kam die Beklagte erst am 21. Februar 2020 nach.
Der Kläger trug vor, dass die Beklagte im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis 21. Februar 2020 absichtlich und nachhaltig in empfindlichem Umfang und erheblicher Intensität sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Die Empfindlichkeit der Persönlichkeitsrechtsverletzung ergebe sich daraus, dass ihm aufgrund der Nutzung des Bild- und Videomaterials durch die Beklagte von seinem neuem Arbeitgeber Illoyalität unterstellt worden sei. Den aus diesen Umständen resultierenden Schaden bezifferte der Kläger mit EUR 25.000.
Weiterhin macht er Ansprüche immaterieller Schäden i. H. v. EUR 11.000 aus folgenden Umständen geltend: Die Beklagte habe ihn trotz Aufforderung nicht gemäß Art. 13 DSGVO über Umfang, Zweck sowie die Art und Weise der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses informiert. Weiterhin ignoriere sie sein grundlegendes Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO. Aus der Nichterfüllung der Pflicht aus Art. 15 DSGVO folge ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der Schaden des Klägers liege darin, dass er um seine Rechte und Freiheiten gebracht werde, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren.
Das Arbeitsgericht Pforzheim sprach dem Kläger lediglich einen Schadenersatzanspruch wegen unzulässiger Verwendung des Bildmaterials in Höhe von EUR 3.000 zu, erkannte aber keinen Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens wegen Verstoß gegen Art. 15 DSGVO. Dagegen legte der Kläger Berufung beim LAG Baden-Württemberg ein.
Entscheidung
Das LAG entschied, dass die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers aufgrund der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen in Höhe von nicht nur EUR 3.000, sondern in Höhe von EUR 10.000 verpflichtet.
Das LAG begründete seine Entscheidung damit, dass im vorliegenden Fall durch Verwendung des Bildmaterials zu weiteren Zwecken über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vorliege. Die ehemalige Arbeitgeberin hätte schon „von sich aus“ mit Ausscheiden des Klägers das Bildmaterial entsorgen müssen, da durch Einstellung des Arbeitnehmers zur Verwendung des nur an die Dauer des Arbeitsverhältnisses gebunden sei, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer bei einem Wettbewerber beginne. Nicht ausreichend berücksichtigt habe das Arbeitsgericht bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung, dass die Beklagte filmische Aufnahmen des Klägers im Internet über den Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt habe. Zur Bemessung des Schadens griff das Gericht auf Darlegungen des Klägers bezüglich möglicher Gewinne aus denen mit dem Video beworbenen Kurs zurück, aber auch auf folgenden Umstand. In solchen Fällen müsse von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen. Als weiterer Bemessungsfaktor könne die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden. Unter Abwägung der Umstände hielt das LAG einen Entschädigungsbetrag von EUR 10.000 für angemessen.
Ansprüche auf Ersatz immateriellen Schadens wegen Verletzung von Art. 15 DSGVO wegen nicht ausreichender Information des Klägers wies das Gericht ab. Das LAG begründete dies so, dass die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solches noch keinen immateriellen Schaden darstelle. Ein bloßer Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung genüge nicht, um einen solchen Anspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Darüber hinaus erkannte das LAG in Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch keine dahingehenden Vermutung, dass der mit einem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung einhergehende Kontrollverlust über die eigenen Daten als solcher zu einem ersatzfähigen immateriellen Schaden führt.
Praxishinweise
Arbeitgeber sollten sich mit der Thematik der Verwertungsrechte bereits vor Anfertigung eventuell teuren Bildmaterials, das Arbeitnehmer sehr individuell und erkennbar zeigt, auseinandersetzen. Das (bestenfalls schriftliche) Einverständnis in die Verwertung im Zeitpunkt des Anfertigens führt nicht ohne weiteres dazu, dass der Arbeitgeber Bildmaterial auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers weiter nutzen darf. Es ist grundsätzlich denkbar, dass sich der Arbeitgeber ein solches „fortwirkendes“ Einverständnisses vorab geben lässt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Arbeitnehmer nach Art. 7 Abs. 3 S. 1 DSGVO das Recht hat, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Fehlt es an einem fortdauernden Einverständnis, hat der Arbeitgeber das Bildmaterial mit Ausscheiden des Arbeitnehmers grundsätzlich aus sämtlichen Werbematerialen zu entfernen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Bildmaterial handelt, auf dem der Arbeitnehmer und dessen Leistungen für den Arbeitgeber im Vordergrund steht. Dabei spielt auch keine Rolle, dass solche Werbefilme mit hohem materiellen oder finanziellen Aufwand verbunden waren.
Macht der Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO geltend, sollte dies stets ernst genommen und beantwortet werden. Zu prüfen ist dabei insbesondere, ob das Auskunftsverlangen lediglich den Normtext wiedergibt. Entscheidend ist nämlich, ob das Verlangen hinreichend bestimmt ist. Die Klarstellung, dass für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen verspäteter Auskunftserteilung ein entstandener Schaden dargelegt werden muss, steht in einer Linie mit der Rechtsprechung des EuGH. Für Arbeitgeber ist positiv, dass der Arbeitnehmer den durch eine verspätete Auskunftserteilung entstandenen Schaden konkret nachweisen muss.
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