„Jung und dynamisch – Benzin im Blut“ – Altersdiskriminierung?
Sachverhalt
Der 50-jährige Kläger hatte sich bei der beklagten Tankstelle auf eine ausgeschriebene Verkäuferstelle beworben. In der Stellenausschreibung beschrieb die Beklagte das Arbeitsumfeld direkt im Eingang der Stellenanzeige mit
„Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung.“
Im direkt danach folgenden neuen Absatz heißt es sodann „Sie haben Spaß am Umgang mit Menschen, sind Kunden- und serviceorientiert und arbeiten gerne selbständig?...“ Ohne Angabe von Gründen, erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage auf seine Bewerbung und stellte stattdessen einen 48-jährigen Bewerber ein. Der Kläger erhob Klage beim Arbeitsgericht (ArbG) Rostock, mit der er eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund einer Altersdiskriminierung begehrte. Die bei der Beklagten Beschäftigten waren 19-67 Jahre alt, im Schnitt 48. Der Bewerber wohnte circa 800 km vom Arbeitsort entfernt und verwies in seiner Bewerbung auf seine Qualifikation als Bankkaufmann, IT Systemtechniker und vielfältige beruflichen Erfahrungen. Die Beklagte verwies u.a. darauf, dass die persönlichen Umstände die Bewerbung als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließen, mithin es sich bei dem Kläger um einen AGG-Hopper handle.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Berufung des Bewerbers hatte keinen Erfolg. Das LAG führte zur Begründung aus, der Anwendungsbereich des AGG sei für den Kläger als Bewerber zwar eröffnet. Für einen Entschädigungsanspruch, müsse aber auch ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus einem in § 1 AGG genannten Grund vorliegen. Die objektive Benachteiligung, die der Kläger durch die Absage erfahren habe, müsse im Sinne eines Kausalzusammenhangs auf dessen Alter beruhen. Diese Kausalität verneinte das Gericht.
Der Kläger trage keine Indizien vor, die eine Absage gerade aufgrund des Alters vermuten ließen. Ein mögliches Indiz zur Vermutung einer Diskriminierung im Sinne von § 22 AGG ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber eine Stelle „auf den ersten Blick“ entgegen des Verbots nach § 11 AGG ausschreibt. Die in Rede stehende Formulierung ist nach Auffassung des Gerichts aber gerade keine unmittelbare Diskriminierung des Alters und deshalb nicht geeignet, die Vermutung im Sinne von § 22 AGG zu begründen.
Die vom Kläger monierte Formulierung „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung“ müsse zunächst nach ihrem objektiven Inhalt aus der Sicht eines durchschnittlichen Bewerbers ausgelegt werden. Unter dieser Auslegung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Formulierung vielmehr eine Beschreibung des zu erwartenden Arbeitsumfelds darstelle und keine konkrete Altersanforderung an die Bewerber suggerieren möchte. Der Kläger hatte die Auffassung vertreten, dass die ein Team beschreibenden Adjektive jung und dynamisch nur auf die Mitglieder des Teams bezogen werden könnten und daher eindeutig nur junge Bewerber für die Stelle erwünscht seien.
Dem widerspricht das LAG. Selbst wenn die Formulierung die Assoziation auslöse, dass die bisherigen Teammitglieder jung seien und deshalb auch nur junge Neumitglieder erwünscht seien, sei der Begriff jung doch relativ und keiner allgemeinen Definition zugänglich. Ausführlich zeigt das LAG auf, dass der Eigenschaft jung keine konkrete Altersgruppe zugeordnet werden könne. Die Kammer stützt sich hierbei auf eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, welche deutlich macht, dass die Eigenschaften jung und alt stets aus der Sicht des jeweiligen Betrachters definiert würden.
Neben der Schwierigkeit einer Definition des Begriffs jung, treten für das LAG Mecklenburg-Vorpommern weitere Faktoren, die gegen eine Auslegung der Formulierung als konkrete Anforderungen an den Bewerber sprechen. So zeige der Ausdruck „Benzin im Blut“, dass es in der Gesamtformulierung nicht um ernsthafte und realistische Anforderungen an die Bewerber gehen könne, sondern vielmehr ein überspitzter und ironischer Aufreißer zum Wecken des Leserinteresses formuliert wurde.
Weiterhin sei die Stellenausschreibung in zwei Teile gegliedert, von denen der erste Teil mit der Formulierung „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut“ und der zweite Teil mit der Formulierung „Sie haben Spaß am Umgang mit Menschen, sind kunden- und serviceorientiert und arbeiten gerne selbstständig? Dann sind Sie bei uns genau richtig!“ eingeleitet wurde. Das zeige deutlich, dass die Stellenausschreibung zwischen einem das Arbeitsumfeld beschreibenden ersten Teil und einem weiteren Teil zu den Anforderungen des Bewerbers unterscheide. Bei diesem Gesamtverständnis der Stellenausschreibung verbiete es sich, einzelne Worte herauszunehmen und an diese eine Diskriminierung zu knüpfen.
Damit biete die gesamte Stellenausschreibung keine hinreichenden Anhaltspunkte, um einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vermuten zu lassen. Über die Formulierung der Stellenausschreibung hinaus hatte der Kläger keine Indizien vorgetragen, die eine Altersdiskriminierung bei seiner Absage vermuten ließen. Ein Anspruch auf Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG stehe ihm daher nicht zu.
Damit kam es also auch auf die Frage des Rechtsmissbrauchs, sprich „AGG-Hopping“ nicht mehr an, die an sich nahelagen, wie sich aus dem beruflichen Hintergrund des Klägers und dem weit entfernten Wohnort ergeben konnte.
Praxishinweis
Vor dem Hintergrund, dass das BAG in einem Urteil aus dem Jahr 2016 (Urteil vom 11.08.2016 – 8 AZR 406/14) die Formulierung „junges dynamisches Team“ als Altersdiskriminierung eingeordnet hatte, mag die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern überraschen.
Das vorliegende Urteil zeigt jedoch, dass kleinste Unterschiede in der Formulierung und Gesamtschau der Stellenanzeigen offensichtlich zu einer unterschiedlichen Beurteilung durch die Rechtsprechung führen können. Auch wenn das LAG Mecklenburg-Vorpommern zu dem Ergebnis kommt, dass der Begriff jung relativ sei und daher für sich genommen noch keine Altersdiskriminierung begründen kann, sollten Arbeitgeber bei der Formulierung einer Stellenausschreibung auf diese Wortwahl verzichten. Es sind bisher schlicht keine handfesten Kriterien erkennbar, wann der Begriff jung eine Altersdiskriminierung begründet und wann nicht. Es mag vielleicht auch so sein, dass sich das LAG im Hintergrund vor der nicht fern liegenden Möglichkeit des AGG-Hoppings leiten ließ und hier daher die Formulierung etwas enger interpretierte.
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Elisabeth Schwake
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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