Dauerbrenner: Schulungskosten angemessen – Reise nach Potsdam oder Webinar?
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft bei der auf Grundlage eines Tarifvertrages eine Personalvertretung („PV“) am Standort Düsseldorf eingerichtet ist. Die gesetzlichen Regelungen des BetrVG für Betriebsräte finden auf diese Anwendung. Im August 2021 nahmen zwei Mitglieder der PV an einer mehrtägigen Präsenzschulung eines Anbieters zum Thema „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam teil. Die Teilnehmer waren Ersatzmitglieder und rückten in die PV nach. Im September 2021 rechnete der Anbieter gegenüber der PV Seminargebühren in Höhe von EUR 1.528 zzgl. MwSt sowie Übernachtungs- und Verpflegungskosten in Höhe von EUR 1.108 zzgl. MwSt ab. Zunächst lehnte die Arbeitgeberin die Erstattung beider Beträge an die PV ab. Nachdem sie die Seminargebühr doch übernahm, verweigerte sie die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten weiterhin unter Verweis auf die Möglichkeit zur Teilnahme an einem inhaltlich gleichen Webinar desselben Anbieters bzw. an einem Seminar in Wohnortnähe, das Übernachtungen nicht erforderlich gemacht hätte. Die PV hatte vor der Anmeldung zu dem Seminar in Potsdam eine Teilnahme an einem Seminar auf Rügen verworfen, aber auch die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf und das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gaben der antragstellenden PV recht.
Entscheidung
Wie die bisher vorliegende Pressemitteilung des BAG, Beschluss vom 7.2.2024 (7 ABR 8/23), erkennen lässt, hatte die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des LAG Düsseldorf keinen Erfolg. Das BAG billigt der PV bei der Wahl der Schulungsveranstaltungen für ihre Mitglieder einen Entscheidungsspielraum zu. Die PV hat daher einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Die Kosten sind nach Ansicht des BAG erforderlich und verhältnismäßig. Damit folgt das BAG der Auffassung des LAG Düsseldorf aus der Vorinstanz.
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Kosten der Arbeit der PV zu tragen. Dazu gehören auch Schulungskosten, sofern das in der Schulung vermittelte Wissen für die Arbeit der PV erforderlich ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn erstmals gewählte Mitglieder durch eine Schulung Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht erlangen sollen, um die sich aus der Amtsstellung als Personalvertretungsmitglied ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrnehmen zu können. Dies war hier – unstreitig – erforderlich, da die Mitglieder als vormalige Ersatzmitglieder nachrückten.
Begrenzt wird die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers durch das gesetzlich normierte Gebot der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist die PV hieraus verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf und die in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem verfolgten Schulungszweck stehen. Demnach hat sie nur zwischen qualitativ gleichwertigen Schulungen die kostengünstigere zu wählen. Hier stand nun die Frage im Raum, ob die PV aus diesem Grundsatz heraus das Webinar hätte wählen müssen, um Reisekosten zu ersparen.
Das LAG Düsseldorf hatte bereits in der Vorinstanz ausgeführt, dass die PV sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse, um Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten einzusparen. Der Ansicht der PV, dass ein Webinar qualitativ nicht gleichwertig zu einer Präsenzveranstaltung sei, folgte die Kammer des LAG Düsseldorf. Daher betrifft der Entscheidungsspielraum neben dem Inhalt auch das Format der Schulung.
Dem Anspruch der PV steht nach Auffassung des LAG Düsseldorf auch nicht entgegen, dass durch ortsnähere Veranstaltungen des selben Anbieters jedenfalls Reisekosten hätten eingespart werden können. Sofern solche örtlich näher belegenen Veranstaltungen aus terminlichen Gründen für die zu schulenden Mitglieder der PV nicht in Betracht kommen, stellen sie keine Alternativen dar. Diese Einsparungen seien zudem durch die täglich anfallenden An- und Abreisekosten gemindert. Auch diese Auffassung des LAG Düsseldorf scheint das BAG zu teilen.
Das LAG weist aber darauf hin, dass dann, wenn zwei nach Einschätzung der PV gleichwertige Seminare zur Verfügung stehen, diese gehalten sein kann, die kostengünstigere Variante zu wählen.
Praxishinweis
Die Pressemitteilung lässt bisher nicht erkennen, ob sich das BAG dem LAG Düsseldorf uneingeschränkt angeschlossen hat. Deutlich wird aber, dass Arbeitgeber die Kostenübernahme nicht unter dem pauschalen Hinweis auf günstigere Schulungsformate, also Webinar statt Seminar, ablehnen dürfen. Bei der Prüfung des Einzelfalls und dessen Begleitumständen sollten Arbeitgeber stets den Beurteilungsspielraum der PV mit bedenken. Dennoch kann es sich lohnen, die konkreten Alternativen zu der wahrgenommenen Schulung zu prüfen. Auch im hier zugrunde liegende Fall hatte das LAG Düsseldorf bereits jede in Betracht kommende Alternativschulung sehr genau in den Blick genommen und erst nach eingehender Prüfung entschieden, ob die PV auf diese hätte verwiesen werden können. Daher stellt der Beschluss keinen Freifahrtschein für PV dar frei zu wählen: Binz auf Rügen statt Recklinghausen ist nicht ohne weiteres möglich.
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