Verstoß gegen Wettbewerbsverbot bei laufendem Kündigungsschutzverfahren?
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war als Steuerberater bei einer Steuerberaterkanzlei angestellt. Nachdem Streit über angeblich unzulässige Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers entstanden war, da dieser unzulässigen Wettbewerb betrieben haben soll, indem er Verwandte und Bekannte kostenlos beriet, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im Dezember 2021 fristlos und hilfsweise ordentlich. Der Arbeitnehmer erhob gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage und obsiegte vor dem Arbeitsgericht Solingen (ArbG).
Im Juni 2022 kündigte der Arbeitgeber ein weiteres Mal fristlos und hilfsweise ordentlich, als er wahrnahm, dass der Arbeitnehmer in seiner Privatwohnung aus geringer Entfernung zu den Kanzleibüros Mandanten auf eigene Rechnung betreute. Der Arbeitnehmer erhob auch hiergegen die Kündigungsschutzklage. Auch bezüglich dieser Kündigung obsiegte der Arbeitnehmer erstinstanzlich. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein, über die noch nicht entschieden wurde.
Im Gegenzug erwirkte der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer ein – ebenfalls durch das ArbG Solingen – am 14. März 2023 erlassenes Urteil auf Wettbewerbsunterlassung. Sein Begehren stützte der Arbeitgeber auf die § 60 Handelsgesetzbuch (HGB) und § 241 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die durch das Gericht zuerkannte Unterlassungspflicht bezog sich hierbei darauf, bis zum rechtskräftigen Abschluss der Kündigungsschutzverfahren wegen der Kündigungen in der Stadt Leverkusen weder einer selbständigen noch einer angestellten Tätigkeit als Steuerberater nachzugehen. Diese Unterlassungspflicht ignorierte der Arbeitnehmer mit der Folge, dass der Arbeitgeber ihm abermals am 31. März 2023 fristlos und hilfsweise ordentlich kündigte. Auch hiergegen setzte sich der Arbeitnehmer zur Wehr und erhob die Kündigungsschutzklage.
Mit seiner Berufung beim LAG wehrte sich der Arbeitnehmer gegen das Urteil vom 14. März 2023 betreffend seine Pflicht zur Wettbewerbsunterlassung. Mit der Berufung hatte er teilweise Erfolg.
Entscheidung des LAG
Das LAG (Urteil vom 25.Oktober 2023 – Az.: 12 Sa 262/23) stellte zunächst klar, dass ein Anspruch des Arbeitgebers auf Unterlassung des Wettbewerbs durch den Arbeitnehmer dem Grunde nach bestehe. Denn das aus dem Arbeitsverhältnis in Verbindung mit den § 60 HGB und § 241 Abs. 2 BGB folgende Wettbewerbsverbot gelte während der gesamten (rechtlichen) Dauer des Arbeitsverhältnisses. Das heißt, dass auch während des Kündigungsschutzverfahrens der Arbeitnehmer grundsätzlich noch zur Wettbewerbsunterlassung jedenfalls dann verpflichtet sei, wenn die Kündigung „offensichtlich unwirksam“ ist oder – wie hier – der Arbeitnehmer erstinstanzlich mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt habe und daher das Arbeitsverhältnis vorerst fortbestehe, also damit das Wettbewerbsverbot gelte. Das gilt aber zweifelsohne nicht in allen Fällen. Denn ist die Kündigung weder offensichtlich unwirksam noch ein klagestattgebendes Urteil im Kündigungsschutzprozess gesprochen, besteht ein Unterlassungsanspruch nur ausnahmsweise, wenn die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausgehe. Im Übrigen stellte die Kammer klar, dass die rechtliche Obliegenheit des Arbeitnehmers, anderweitigen Erwerb nicht böswillig zu unterlassen (§ 11 Nrn. 1 und 2 Kündigungsschutzgesetz, KSchG), keine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers rechtfertige.
Für den zu entscheidenden Fall folgerten die Richter, dass der Angestellte ab dem zu seinen Gunsten ergangenen Urteil des ArbG in dem Kündigungsschutzverfahren über die Kündigungen aus Dezember 2021 und Juni 2022 weiterhin zum Unterlassen des Wettbewerbs verpflichtet war, da die Kündigungen unwirksam waren und das Arbeitsverhältnis offensichtlich fortbestand.
Dies änderte sich erst ab dem Zeitpunkt der letzten, hier am 31. März ausgesprochenen Kündigung des Arbeitgebers. Denn diese stützte der Arbeitgeber auf das in dem Urteil vom 14. März 2023 festgestellte Wettbewerbsverbot, das der Arbeitnehmer einfach völlig ignorierte. Ab dem Zugang der Kündigung vom 31. März 2023 konnte auch der Arbeitnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das Arbeitsverhältnis nun beendet ist. Daher war er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an das aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Wettbewerbsverbot gebunden.
Ausblick und Praxishinweise
Die Entscheidung des LAG verdeutlicht, dass neben der Frage der Pflicht zur Weiterbeschäftigung auch die Frage eines Wettbewerbsverbotes entscheidend von der Einschätzung der Wirksamkeit der Kündigung abhängt. Der Arbeitgeber, der einem Kündigungsschutzprozess ausgesetzt ist, sollte durchaus, wenn ihm eine anderweitige Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Auslaufen der Kündigungsfrist, aber während der laufenden Kündigungsschutzklage bekannt wird, die Tätigkeit in Hinblick auf Wettbewerbswidrigkeit prüfen. Hier kann dem Kündigungsschutzfall ggf. noch eine Wendung gegeben werden.
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