Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung des Desk Sharing
Sachverhalt
Die Abreitgeberin stellte im Oktober 2023 ein neues Planungskonzepts namens „…spaces“ vor, welches in Zukunft die Flächen des genutzten Großraumbüros umgestalten und neu definieren sollte. Bisher hatte es im Betrieb der Arbeitgeberin bereits Großraumbüros gegeben, jedoch waren die Arbeitsplätze fest zugeordnet. Insbesondere sollte durch das neue Planungskonzept ein sog. Desk Sharing und damit verbunden ein sog. Clean Desk im Betrieb der Arbeitgeberin eingeführt werden. Zur Veranschaulichung wurde das Planungskonzept durch eine Präsentation ergänzt und dem Betriebsrat zur Kenntnisnahme zugeleitet. Konkret wurde in dem Planungskonzept unter Anderem geregelt, dass die Arbeitnehmer zu Beginn ihrer Arbeit einen freien Arbeitsplatz zu suchen und diesen sodann nach Beendigung der täglichen Arbeit komplett aufzuräumen hatten. Arbeitsgegenstände sowie private Gegenstände waren im Anschluss in einem persönlichen Schließfach zu verstauen. Ein weiterer Teil des Planungskonzeptes betraf die Nutzung einer größeren Küche, die mit Tischen, Stühlen sowie Gesellschaftsspielen ausgestattet ist. Durch die Erläuterung in der Präsentation
„Kann auch für Spontanmeetings genutzt werden, denn auch Arbeiten ist hier erlaubt“
sollten die Arbeitnehmer diesen Raum nicht nur für „Fachgespräche in der Kaffeerunde“ nutzen, sondern auch zum dortigen spontanen Arbeiten ermuntert werden.
Der Betriebsrat war der Auffassung, dass durch das Planungskonzept Angelegenheiten berührt werden, die eine Mitbestimmung des Betriebsrates zwingend nach BetrVG und den Abschluss einer Betriebsvereinbarung erfordere. Die Arbeitnehmerin war hier anderer Ansicht. Es wurde also eine Einigungsstelle angerufen. Es kam zu keiner Einigung über den Vorsitz. Der Betriebsrat rief das Arbeitsgericht (ArbG) Heilbronn an, damit dieses einen Vorsitzenden für die Einigungsstelle bestimme. Das ArbG war jedoch der Auffassung, dass eine Einigungsstelle nicht erforderlich sei, da ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat hinsichtlich des Planungskonzepts von vornherein ausgeschlossen werden könne. Hiergegen erhob der Betriebsrat Beschwerde beim LAG Baden-Württemberg.
Entscheidung
Die Beschwerde war teilweise begründet. Die Einberufung einer Einigungsstelle hat danach immer dann zu erfolgen, wenn jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, dass die vom Arbeitgeber beabsichtigte Regelung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegt. Ob schließlich tatsächlich ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 BetrVG einschlägig ist, muss dann in der Einigungsstelle selbst ermittelt werden.
Die Richter des LAG hatten hierbei (lediglich) zu beurteilen, ob ein Mitbestimmungsbedürfnis zumindest in Betracht kommt. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass das Planungskonzept als Ganzes zwar nicht mitbestimmungsbedürftig sei. Jedoch könnten Teilbereiche des Planungskonzepts der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen. Das Erfordernis der Mitbestimmung stützte der Betriebsrat unter anderem auf § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG. Die dort genannten „Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“ können dann betroffen sein, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf das kollektive Miteinander oder die vorgegebene Ordnung im Betrieb zielt. Im Rahmen seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber solche Regelungen zunächst eigenständig vorgeben. Der Betriebsrat ist folglich immer dann zu beteiligen, wenn das Ordnungsverhalten im Betrieb betroffen ist, wie bei Auswahl des Arbeitsplatzes und sein Aufräumen. Hiervon abzugrenzen sind Maßnahmen bezüglich des Arbeitsverhaltens, also solche, die unmittelbar die arbeitsvertraglichen Leistungspflichten betreffen indem sie diese festlegen oder konkretisieren. Wirkt der Arbeitgeber auf Letzteres ein, ist die Maßnahme in der Regel nicht mitbestimmungsbedürftig.
Hinsichtlich des Aufräumens des gewählten Arbeitsplatzes und dem anschließenden Verstauen sämtlicher Gegenstände in den persönlichen Schließfächern der Arbeitnehmer, waren die Richter der Auffassung, dass der Schwerpunkt der Maßnahme überwiegend das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betrifft. Ein schwerpunktmäßiges Lenken des Arbeitsverhaltens sei schon deshalb nicht gegeben, da der zu beseitigende Zustand des Arbeitsplatzes typischerweise auch durch eingebrachte private Gegenstände oder Hilfsmittel, wie etwa eine weitere Brille, ein Sitzkissen, Pflanzen oder Dekoration, verursacht werde. Die Annahme eines Einwirkens auf das allgemeine Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer liege daher näher.
Bezüglich der Widmung der Küche in dem Planungskonzept kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass der schriftliche Zusatz in der begleitenden Präsentation „denn auch hier ist Arbeiten erlaubt“ im Schwerpunkt keine Steuerung des Arbeitsverhaltens darstellt, sondern ebenfalls die Ordnung des Betriebes betreffe. Zwar gelte die Regel, dass unterschiedliche räumliche Bereiche im Betrieb durchaus mehreren Nutzungszwecken dienen können. Jedoch sei auch in einem solchen Fall die sog. überlagernde Nutzung nach dem Schwerpunkt der Maßnahme zu ermitteln. Hier sehen die Richter in dem schriftlichen Zusatz zwar auch eine das Arbeitsverhalten steuernde Maßnahme, da die Arbeitnehmer zu Spontanmeetings ermutigt werden. Vorrangig werde durch die Widmung jedoch auf das Ordnungsverhalten eingewirkt, da ein primär zu Pausenzwecken bereitgestellter Raum auch für das Arbeiten geöffnet wird und daher das betriebliche Zusammenleben sowie das kollektive Zusammenwirken betroffen werden.
Damit sind beide Teilbereiche des Planungskonzepts potenziell mitbestimmungsbedürftig und eine Einigungsstelle mithin einzuberufen. Den Vorsitzenden einer solchen setzte das LAG entsprechend ein.
Praxishinweis
In Betrieben mit einem Betriebsrat sollten Arbeitgeber bei der Regelung einer neuen Thematik im Betrieb stets bedenken, dass die daraus resultierenden einzelnen Maßnahmen, die an die Arbeitnehmer gerichtet werden, zunächst abstrakt zu betrachten und nach ihrem individuellen Regelungsschwerpunkt zu hinterfragen sind. Denn auch aus einzelnen Maßnahmen eines größeren Regelungskonzepts können potenzielle Mitbestimmungsbedürfnisse für den Betriebsrat erwachsen. Bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Betriebsrat wird bereits bei einem lediglich potenziellen Mitbestimmungsbedürfnis die Einberufung einer Einigungsstelle erforderlich.
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