Geschäftsführer: Rückwirkender Entfall der Karenzentschädigung bei Verstoß gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zulässig!
Sachverhalt
Die Klägerin war hier eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand den Betrieb von Kur- und Rehabilitationskliniken sowie Pflege- und Seniorenheimen zum Gegenstand hatte. Der Beklagte war bei dieser seit 2005 als Geschäftsführer tätig. Mit Beschluss vom 31. Mai 2012 wurde er von der Gesellschafterversammlung aus seiner Organrolle abberufen und zeitgleich sein Geschäftsführeranstellungsvertrag (im Folgenden „Anstellungsvertrag“) ordentlich gekündigt.
Der Anstellungsvertrag zwischen dem Beklagten und der Klägerin aus dem Jahre 2005 sah ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor, welches es dem Beklagten für zwei Jahre nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses untersagte, für Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Hierfür wurde dem Beklagten vertraglich eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt bezogenen Monatsvergütung zugesagt. Enthalten war auch eine Vereinbarung, nach welcher die Karenzentschädigung rückwirkend für den gesamten Zeitraum (ex tunc) wegfallen sollte, wenn der Beklagte gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot vor Ablauf der zwei Jahre aufnehmen sollte.
Die Klägerin leistete nach Ausscheiden des Beklagten keine Zahlungen auf die Karenzentschädigung. Ab dem 17. Juni 2013 nahm der Beklagte sodann eine neue Tätigkeit als Geschäftsführer für ein Konkurrenzunternehmen auf. Der Beklagte hatte im Wege der Widerklage die Zahlung der Karenzentschädigung geltend gemacht. In erster Instanz wies das LG Berlin die Widerklage ab, wohingegen das Kammergericht in zweiter Instanz dem Beklagten für die Zeit der Einhaltung des nachträglichen Wettbewerbsverbotes einen Anspruch auf die Karenzentschädigung zusprach.
Begründung
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH argumentierte, dass dem Beklagten aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kein Anspruch auf eine Karenzentschädigung zusteht – weder für den gesamten noch für den anteiligen Zeitraum, in dem er das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eingehalten hatte.
Zentraler Punkt der Entscheidung war die Abwägung, ob die Vereinbarung zum Entfall des gesamten Zahlungsanspruchs, also auch für den Zeitraum der Vertragstreue, für den Geschäftsführer eine unbillige Belastung darstellt. Der BGH erachtete den vereinbarten möglichen rückwirkenden Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für wirksam.
Der vereinbarte nachträgliche Wegfall der Karenzentschädigung selbst sei nicht unbillig und verstoße nicht gegen § 138 BGB. Der BGH hob hervor, dass schon keine gesetzliche Verpflichtung bestehe, dem Geschäftsführer im Falle der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung zuzusagen. Denn § 75 HGB, der eine solche Pflicht vorsieht, sei nicht auf Geschäftsführer anzuwenden. Ob und in welcher Höhe eine Entschädigung im Fall eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes geleistet werden soll, sei Teil der Verhandlungsfreiheit der Parteien. Daher stehe es ihnen frei auch den rückwirkenden Wegfall der Entschädigung zu vereinbaren.
Der Wegfall sei auch nicht deshalb unbillig, weil die Klägerin monatelang keine Karenzentschädigung ausgezahlt habe und die streitige Klausel einen solchen Fall nicht vorgesehen habe. Nach Ansicht des BGH besteht kein Interesse an einer „Gleichbehandlung“ von etwaigen Pflichtverletzungen der Gesellschaft bei der Karenzzahlung mit dem Verstoß des Geschäftsführers gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Die Karenzentschädigung sei auch nicht als Leistung der Klägerin ausgestaltet, welche das Einkommen in der Zeit des Wettbewerbsverbotes ersetzen sollte, da die Klägerin einseitig auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichten durfte.
Der Klägerin sei es auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Treu und Glauben verwehrt, sich auf den rückwirkenden Wegfall der Entschädigung zu berufen. So hätte argumentiert werden können, wenn die Klägerin den Beklagten aktiv dazu provoziert hätte, dass dieser einer neuen Beschäftigung beim Wettbewerber nachgeht, z.B. dadurch, dass sie ernsthaft und abschließend die Zahlung verweigert hätte. Diese Wertung sei aber nicht schon dann möglich, wenn die Klägerin die Zahlung trotz Fälligkeit nicht geleistet habe und noch nicht feststeht, ob der Beklagte die Entschädigung einfordert.
Praxishinweis
Mit seiner Entscheidung bleibt der BGH konsequent und verfolgt seine bisherige strenge und für Geschäftsführer eher ungünstige Rechtsprechunglinie, welche nun auch um die Frage der Zulässigkeit rückwirkender Verfallklauseln ergänzt wurde. Diese Entscheidung ist in der Praxis aber mit gebotener Vorsicht zu betrachten.
Dies hat folgende Gründe: Einerseits setzt die Wirksamkeit der Klausel voraus, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot selbst wirksam ist, also die Berufsfreiheit nicht übermäßig einschränkt.
Andererseits ist hervorzuheben, dass der BGH die Regelung über den Wegfall der Karenzentschädigung keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterzogen hat, da hier kein Anhaltspunkt für „AGB“ vorlag. Hätte das Gericht diese vorgenommen, wäre er möglicherweise zu einer anderen Auslegung gekommen. Die Prüfung von AGB ist auch in Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern möglich, weil (Fremd-)Geschäftsführ im Verhältnis zur Gesellschaft als Verbraucher zu bewerten sind. Folglich darf die Wegfallklausel keine unangemessene Benachteiligung des Geschäftsführers beinhalten, was insbesondere mit Blick auf § 309 Nr. 6 BGB nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden kann. Nach dieser Norm sind Vertragsstrafen untersagt, welche eine Partei zur Zahlung eines bestimmten Betrages bei der Loslösung vom Vertrag verpflichtet. Für die Zeit des eingehaltenen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes stellt eine Karenzentschädigung, wie bereits ausgeführt, einen wirtschaftlichen Ausgleich dar. Wird dieser Ausgleich nachträglich und rückwirkend auch für die Zeit genommen, in der sich der Geschäftsführer vertragsgetreu verhalten hatte, drängt sich die Annahme eines Strafcharakters auf und könnte somit im Wertungswiderspruch zu § 309 Nr. 6 BGB stehen. Ob der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung auch der Inhaltskontrolle standhält, bleibt daher weiterhin nicht abschließend entschieden.
Im rechtlich sensiblen Bereich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote kann es empfehlenswert sein, anstelle des Verfalls der vollständigen Karenzentschädigung eine erst ab dem Verstoß (ex nunc) wirkende Verfallsregelung zu vereinbaren.
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