Vergütungspflichtige Arbeitszeit: Für das Duschen bezahlt werden?
Sachverhalt
Die Parteien stritten über Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten. Der Kläger war bei der Beklagten seit 2008 als Containermechaniker beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand in der Wartung von Containern, wie beispielsweise dem Abschleifen rostiger Stellen und einer anschließenden Nachlackierung. Hierzu stellte die Beklagte Schutzkleidung zur Verfügung, die der Kläger vor Arbeitsbeginn anlegte. Trotz dieser Schutzkleidung wurde der Kläger bei seiner Tätigkeit regelmäßig schmutzig. Nach Schichtende duschte oder wusch er sich deshalb und wechselte in seine normale Kleidung. Die Zeit, die der Kläger mit Umziehen, Waschen und Zurücklegen von Wegen zwischen Umkleideraum und eigentlichem Arbeitsplatz verbrachte, gab er auf Weisung der Beklagten allerdings nicht bei seiner Zeiterfassung an. Vielmehr war er gehalten, am Zeiterfassungsterminal nur den in den Schichtplänen vorgesehenen Zeitpunkt des Schichtbeginns und -endes einzutragen.
Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Auszahlung eine Nachvergütung in Höhe von EUR 25.554,45 für Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten im Umfang von täglich 55 Minuten für die Zeit von Januar 2017 bis April 2022. Zudem beantragte der Kläger die Feststellung einer entsprechenden Vergütungsverpflichtung der Beklagten für die Zukunft.
Erstinstanzlich gab das Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg der Klage teilweise statt, indem es für insgesamt 359 Arbeitstage im Zeitraum von Juni 2020 bis April 2022 täglich 20 Minuten als vergütungspflichtige Umkleide- und Körperreinigungszeiten erklärte. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg das Urteil auf 21 Minuten vergütungspflichtiger Arbeitszeit pro Tag ab und sprach dem Kläger hierfür insoweit einen Lohnzahlungsanspruch zu. Der Großteil der Forderung sei aber bereits verjährt. Im Übrigen hätte der Kläger die Zeiten zu hoch angesetzt. Eine darüber hinausgehende Berufung – sowohl des Klägers als auch der Beklagten – wies das LAG allerdings zurück. Mit ihrer Revision zum BAG begehrte die Beklagte sodann die Abweisung der gesamten Klage.
Entscheidung
Das BAG hob das Berufungsurteil in weiten Teilen auf, weil das LAG rechtsfehlerhafte Feststellungen zur Erforderlichkeit und zum tatsächlichen Umfang der Umkleide- und Körperreinigungszeiten getroffen habe. Der Rechtsstreit wurde daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Allgemein hält das BAG fest, dass Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeiten angesehen werden können. Das entscheidende Kriterium sei die Fremdnützigkeit der jeweiligen Tätigkeit. Unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung bestätigte das BAG, dass die Wege- sowie Umkleidezeiten im konkreten Fall ausschließlich fremdnützig seien, da sie der Erbringung der Arbeitsleistung dienen. Der Kläger war zur An- und Ablegung der von der Beklagten bereitgestellten Arbeitskleidung verpflichtet und müsse dafür auch den räumlich getrennten Umkleideraum aufsuchen.
Weiterhin können laut BAG auch Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten sein, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Arbeitsleistung stehen. Die Fremdnützigkeit von Reinigungszeiten sei dann zu bejahen, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause – sei es durch Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs oder durch Nutzung eines eigenen Fahrzeugs – ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden könne. Allerdings sei hierbei auch nach der erforderlichen Art und Dauer der Körperreinigung sowie Grad der Verschmutzung zu differenzieren. Die Ganzkörperreinigung (Duschen) gehöre nur dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung bei wertender Betrachtung ohne Duschen nicht möglich erscheine. Die Körperreinigung, welche in erster Linie erforderlich sei, um die übliche Verunreinigung des Tages wie z.B. Schweiß- und Körpergeruchsbildung zu beseitigen, diene hingegen primär der Befriedigung privater Bedürfnisse; diese Zeit sei nicht ausschließlich fremdnützig aufgewandt und damit nicht vergütungspflichtig. Indizien für vergütungspflichtige Duschzeiten wären etwa, wenn der Arbeitnehmer sehr stark beschmutzende Tätigkeiten oder Arbeiten mit stark geruchsbelästigenden Stoffen ausübt, er bei seiner Tätigkeit eine körperlich großflächige persönliche Schutzausrüstung trägt oder er Tätigkeiten unter besonders herausragenden klimatischen Bedingungen oder bei Nässe verrichtet.
Entsprechend verwies das BAG an das LAG zurück, um entsprechender Feststellungen zu machen, was dem BAG als „Rechtsinstanz“ verwehrt ist.
Ausblick und Praxishinweis
Obwohl die Thematik der Umkleidezeiten u.ä. schon häufig von der Rechtsprechung diskutiert wurde, war höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden, ob es sich bei Körperreinigungszeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB handeln kann. Das BAG hat klargestellt, dass dies dem Grunde nach möglich ist. Welche Zeiten im konkreten Fall vergütungspflichtig sind, hat nun das LAG erneut zu entscheiden. Das Gericht kann hierbei die erforderlichen Umkleide- und Körperreinigungszeiten nach § 287 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) schätzen, soweit feststeht, dass diese auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind. Anzumerken bleibt, dass die Abschätzung der erforderlichen Zeit nicht „im Selbstversuch der Richter“ vorgenommen werden darf, was hier geschehen war.
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Jonas Anders, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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