Inflationsausgleichsprämie darf Betriebstreue belohnen
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten seit Jahren als Vertriebsassistent beschäftigt. Zum 31. Dezember 2022 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis. Im November 2022 gab die Beklagte auf ihrer betriebsinternen Intranet-Plattform bekannt, dass sie eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen beabsichtigte. Das Schreiben lief unter der Überschrift „Inflationsausgleichsprämie für alle Mitarbeitenden der J.“ und beinhaltet u.a. die Hinweise, dass die Beklagte die Prämie als freiwillige Leistung auszahle und sich die Verteilung nach sozialen Kriterien orientiere. Außerdem nannte das Schreiben für die Auszahlung der Prämie die Bedingung, dass der Arbeitnehmer den Betrieb bis einschließlich 31. März 2023 weder aufgrund eigenen Verschuldens noch auf eigenen Wunsch hin verlässt.
Nachdem der Kläger bei der Beklagten ausgeschieden war, forderte er im Februar 2023 die Auszahlung der vollen Inflationsausgleichsprämie in Höhe von EUR 3.000. Er war der Ansicht, dass die Inflationsausgleichsprämie einen gesetzlich geregelten steuerlichen Vorteil darstelle, der nach dem Gesetzeswortlaut nur an soziale Kriterien anknüpft und dem Ausgleich der steigenden Lebenshaltungskosten dienen sollte. Das Gesetz knüpfe diese aber gerade nicht an Betriebstreue an, weswegen die im Schreiben der Beklagten enthaltene Bedingung eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) sei.
Die Beklagten hingegen lehnte die Auszahlung unter Verweis auf die Bedingung und die Kündigung des Klägers ab. Nach Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Inflationsausgleichsprämie um eine freiwillige Leistung mit Mischcharakter, d.h. eine solche, die ihrem Zweck nach sowohl sozialen Ausgleich bewirken als auch die Betriebstreue der Arbeitnehmer honorieren könne.
Entscheidung
Das ArbG wies die Klage ab. Denn der Kläger habe aufgrund seiner eigenen Kündigung keinen Anspruch auf die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie. Das Schreiben der Beklagten, welches die Auszahlung der Prämie unter die Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses stellte, konnte sowohl einen vertraglichen Zahlungsanspruch als auch einen Anspruch nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz wirksam ausschließen.
Zwar sei das Schreiben der Beklagten über die Inflationsausgleichsprämie als Gesamtzusage und damit als AGB zu qualifizieren, da die Beklagte damit in allgemein gehaltener Form allen Arbeitnehmern eine zusätzliche Leistung zusagte. Das Intranet sei dabei nur eine digitale Form des früheren „schwarzen Bretts“. Die Bedingung, dass die Prämie nur bei ungekündigtem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März. ausgezahlte werde, stelle dabei eine wirksame Stichtagsklausel dar. Die Anknüpfung der Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie an die Betriebstreue sei transparent und nicht als unangemessen zu bewerten. Bezugspunkt der Inflationsausgleichsprämie sei die Betriebstreue und nicht die Arbeitsleistung als solche, weswegen das Austauschverhältnis von Arbeitsleistung zu Lohn nicht beeinträchtigt sei. Der Zweck der finanziellen Abmilderung in Zeiten steigender Verbraucherpreise sei ein sozialer Zweck, der in der steuerlichen Privilegierung nach § 3 Nr. 11c EStG zum Ausdruck komme. Dieser müsse allerdings nicht der einzige Zweck der Prämie sein. Denn die Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie erfolgt auf freiwilliger Basis und auf Grundlage von einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Aufnahme der Betriebstreue als zusätzlichem Zweck, sei daher nicht von Gesetzes wegen verboten.
Nichts anderes ergibt sich nach Auffassung des ArbG Wuppertal auch aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbiete dem Arbeitgeber die sachfremde Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Verspricht der Arbeitgeber gegenüber der Gesamtheit der Arbeitnehmer, diesen eine Prämie zu zahlen, so dürfen davon einzelne Arbeitnehmer nur dann ausgenommen werden, wenn dies auf sachlichen Erwägungen beruht. Differenzierungskriterien sind aber nur dann sachlich, wenn sie nach dem Zweck der Leistung und unter der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Vorenthaltung der Zahlung rechtfertigen. Auch hier sei der mit der Inflationsausgleichsprämie verfolgte Sozialzweck nicht ausschließlich, die Auszahlung könne auch die Betriebstreue berücksichtigen. Betriebstreue aber stelle einen sachlichen Differenzierungsgrund dar, der einen Ausschluss freiwillig ausgeschiedener Arbeitnehmer rechtfertige.
Praxishinweise
Aus Sicht des Arbeitgebers ist diese Entscheidung zu begrüßen. Durch sie wird für Arbeitgeber nochmals bestätigt, dass sie die Inflationsausgleichsprämie in bestimmten Grenzen zusätzlich auch nutzen können, um Betriebstreue zu honorieren. Neben der dargestellten Stichtagsregelung, wonach die Auszahlung unter die Bedingung der ungekündigten Betriebszugehörigkeit zu einem bestimmten Stichtag gestellt wird, wurde von einigen Unternehmen auch die Möglichkeit praktiziert, die Betriebszugehörigkeit durch Staffelzahlungen zu belohnen, d.h. über Inflationsausgleichszahlungen in Teilbeträgen über einen gewissen Zeitraum hinweg gestaffelt zu zahlen (z.B. jeweils EUR 1.000 jährlichen Abstand). Nicht zulässig ist es im Zusammenhang mit der Inflationsausgleichsprämie hingegen, ihre Auszahlung von der Arbeitsleistung und bestimmten Arbeitsergebnissen abhängig zu machen.
Artikel als PDF speichern