Teilnahme an rechtsextremen Veranstaltungen – ein Grund für außerordentliche Kündigung?
Sachverhalt
Die Beklagte ist die Stadt Köln. Die Klägerin, 63 Jahre alt, war bei dieser seit dem 1. Juli 2000 beschäftigt, zuletzt als Ansprechpartnerin der Zentrale Beschwerdemanagement im Amt (Umwelt und Verbraucherschutzamt). Die Klägerin gab bei ihrer Einstellung als Angestellte im Öffentlichen Dienst das Gelöbnis ab, dass sie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wahren werde.
Im Oktober 2023 wurde die Klägerin in einem an sie persönlich adressierten Brief zu dem oben genannten Treffen am 25. November 2023 („Potsdamer Treffen“) eingeladen, an welchem sie auch teilnahm. Im Januar 2024 wurde dieses Treffen sowie ihre Teilnahme daran unter der Überschrift „Geheimplan gegen Deutschland“ publik gemacht, was zu großer Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit geführt hat. Die Beklagte wandte sich sogleich an die Klägerin, die zu dem Treffen zunächst durch den Amtsleiter angesprochen und sodann per E-Mail zum dringenden Verdacht der schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Verfassungstreue angehört und um Stellungnahme gebeten wurde. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin entgegnete, sie habe lediglich daran teilgenommen und sei über den Inhalt nicht vorab unterrichtet gewesen, erfolgten am 29. Januar zwei außerordentliche und fristlose Kündigungen, am 30. Januar 2024 vorsorglich nochmals zwei weitere außerordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist – beide Male jeweils eine als Tat-, eine als Verdachtskündigung ausgesprochen. Am 18. März 2024 wurde noch eine fünfte außerordentliche fristlose Verdachtskündigung ausgesprochen. Gegen sämtliche Kündigungen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklagen bei dem ArbG Köln und stelle ferner einen Antrag auf Weiterbeschäftigung.
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin vollumfänglich Erfolg. Das ArbG Köln entschied mit Urteil vom 3. Juli 2024, dass das Arbeitsverhältnis durch keine der fünf außerordentlichen Kündigungen aufgelöst worden war.
Begründung
Zur Begründung führte das ArbG Köln an, dass es für keine Kündigung einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für gegeben sah.
Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist das äußerste Mittel und daher nur dann zulässig, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst nur bis zum Auslaufen der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Daher kommt als wichtiger Grund grundsätzlich nur der besonders schwerwiegende Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen oder Strafnormen in Betracht.
Eine Verdachtskündigung erfordert einen noch strengeren Bewertungsmaßstab, da hierbei die (regelmäßig außerordentliche) Kündigung gerade nicht aufgrund eines tatsächlichen Verstoßes, sondern nur wegen des Verdachts eines solchen Verstoßes ausgesprochen wird. In diesem Fall muss allein der Verdacht des schwerwiegenden Verstoßes das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits so schwerwiegend beeinträchtigt haben, dass eine weitere Zusammenarbeit unter keinem Gesichtspunkt mehr zugemutet werden kann. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber alles erforderliche unternommen haben, um den Sachverhalt aufzuklären, d.h. insbesondere den Arbeitnehmer zum Vorwurf anhören.
So betonte das ArbG Köln, dass die Mitgliedschaft bzw. das politische Engagement eines Arbeitnehmers in einer verfassungsfeindlichen Organisation oder auf einer Veranstaltung sowohl aus verhaltensbedingten als auch aus personenbedingten Gründen einen Kündigungsgrund darstellen kann.
Ein personenbezogener Kündigungsgrund setzt einen Eignungsmangel für die geschuldete Arbeitsleistung voraus. Gerade im öffentlichen Dienst haben Arbeitnehmer sog. funktionsbezogene Treuepflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber. Allerdings schuldet ein Arbeitnehmer nur diejenige Loyalität, die für die funktionsgerechte Ausübung seines Amtes unverzichtbar ist, so das Arbeitsgericht. Das Maß der Treuepflicht wird durch die Stellung und den Aufgabenkreis des Arbeitnehmers festgelegt.
Beamte mit hoheitlichen Befugnissen haben in der Regel gesteigerte politische Treuepflichten. Sie müssen einerseits aktiv für die freiheitliche, demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung der Bundesrepublik eintreten und haben sich andererseits von solchen Sachverhalten zu distanzieren, welche diese Werte gefährden, angreifen oder diffamieren können.
Bei Beschäftigten ohne hoheitliche Befugnisse – wie bei der Klägerin als Angestellte im Öffentlichen Dienst – ist die gesteigerte politische Loyalität im Lichte des Grundrechtes auf Meinungsfreiheit nur dann gerechtfertigt, wenn die konkret geschuldete Arbeitsleistung und deren Verantwortungsbereich diese besondere Loyalität erfordert. Bei einfachen Aufgaben ist andernfalls lediglich eine sog. einfache politische Treuepflicht zu erwarten. Für die Einhaltung dieser reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer die freiheitliche demokratische Ordnung nicht aktiv durch die Verfolgung und Förderung verfassungsfeindlicher Ziele bekämpft oder beschimpft. Die passive Teilnahme an einer verfassungsfeindlichen Veranstaltung durch schlichtes Zuhören, wie sich dies im Fall der Klägerin dargestellt hat, sei, so das Gericht, nicht als aktive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele zu werten.
Darüber hinaus setzen verhaltensbedingte Kündigungsgründe voraus, dass eine etwaige Pflichtverletzung zu einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Bei der passiven Teilnahme an verfassungsfeindlichen Veranstaltungen durch einen Arbeitnehmer ohne exponierte Stellung reicht dafür nicht aus, dass die Kollegen und Stadtbürger mit Unverständnis und Ablehnung reagieren.
Ausblick
Die Entscheidung des ArbG Köln ist arbeitsrechtlich wenig überraschend. Denn sie unterstreicht erneut, dass dem Privatbereich zuzurechnendes politisches Engagement eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber grundsätzlich nichts angeht, solange es das Arbeitsverhältnis nicht konkret beeinträchtigt oder durch sein Verhalten ein konkreter Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird. Auch im öffentlichen Dienst gilt nichts anderes, auch wenn Beschäftigte im Vergleich zu nicht-staatlichen Arbeitsverhältnissen erhöhte Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten haben. Es ist hierbei jedoch auch nach der Stellung und der konkreten Tätigkeit des Arbeitnehmers zu unterscheiden. Wenn es sich, wie hier, um eine Arbeitnehmerin einer eher nicht hervorgehobenen Funktionsstufe handelt, so sind die Maßstäbe anders als bei Arbeitnehmern mit herausgehobener Bedeutung. Aber auch für „einfache Arbeitnehmer“ dürfte hier gelten, dass im öffentlichen Dienst eine aktive politische Tätigkeit, die sich gegen die Freiheitlich Demokratisch Grundordnung richtet, mit dem Arbeitsverhältnis unvereinbar sein dürfte.
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