Fortbildungskosten – keine Rückzahlungspflicht ohne wirksame Vereinbarung
Sachverhalt
Die Beklagte war bei der Klägerin seit mehreren Jahren in Vollzeit als Verwaltungsmitarbeiterin angestellt. Schließlich einigten sich die Parteien darauf, dass die Beklagte als Fortbildungsmaßnahme einen berufsbegleitenden Masterstudiengang zum „Baurecht im Lebenszyklus von Bauwerken“ mit einer Regelstudienzeit von vier Semestern absolvieren wird. Die Klägerin sagte zu, die hierfür anfallenden Studiengebühren in voller Höhe zu finanzieren. In einer entsprechenden Fortbildungsvereinbarung wurde in § 2 vereinbart:
„Für den Fall, dass die Beschäftigte innerhalb von 5 Jahren nach Beendigung des […] Masterstudiengangs […] aus von ihr zu vertretenden Gründen ausscheidet, verpflichtet sich diese zur Rückzahlung der finanzierten Studienbeiträge entsprechend nachstehender Regelung:
Beim Ausscheiden der Beschäftigten bis 1 Jahr nach Beendigung des o.g. Masterstudiengangs sind 100% der finanzierten Studienbeiträge in 60 Monatsraten zu erstatten.
Nicht von der Beschäftigten zu vertretende Gründe sind:
- gesundheitliche Gründe
- wesentliche Änderungen des Aufgabengebietes der Beschäftigten.
Auf eine Rückzahlung kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn diese eine unbillige Härte darstellt.“
Im November 2021 schloss die Beklagte den Masterstudiengang, dessen Studiengebühren in Höhe von EUR 14.280,00 die Klägerin vollumfänglich getragen hatte, erfolgreich ab. Zur Wahrnehmung des Masterstudiengangs wurde die Beklagte insgesamt an 50 Tagen von ihrer Arbeitspflicht bezahlt freigestellt. Im Juli 2022 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis ordentlich mit Wirkung zum 30. September 2022.
Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin ihren Anspruch auf Rückzahlung der Studienbeiträge gemäß § 2 der Fortbildungsvereinbarung. Das Arbeitsgericht (ArbG) Hannover hatte der Klage stattgegeben und geurteilt, dass es nicht unangemessen sei, dass eine Rückzahlungsvereinbarung der Beklagten an einen Bindungszeitraum von bis zu fünf Jahren nach der Beendigung des Masterstudiengangs geknüpft werden kann.
Ihre Berufung gegen das Urteil des ArbG stützt die Beklagte daraufhin auf die folgenden drei Punkte: Einerseits sei die fünfjährige Bindungsdauer sowie die Staffelung der Rückzahlungsbeträge unangemessen. Andererseits werde in § 2 nicht ausreichend nach den Gründen einer Eigenkündigung durch die Beklagte differenziert. Schließlich habe das ArbG auch fehlerhaft festgestellt, dass das Ausscheiden der Beklagten aus von ihr selbst zu vertretenden Gründen erfolgt sei.
Entscheidung
Die Berufung der Beklagten beim LAG hatte Erfolg.
Da es sich bei der Fortbildungsvereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, müssen diese anhand der §§ 307 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) überprüft werden. Aufgrund der fünfjährigen Bindungsdauer geht das LAG von einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB aus. Seit Jahrzehnten wird in der Arbeitsgerichtbarkeit die Angemessenheit einer Bindungsdauer immer wieder anhand ähnlicher Kriterien bemessen. Auch im zu entscheidenden Fall blickten die Richter daher auf die Dauer der Fortbildungsmaßnahme, auf den Umfang der durch den Arbeitgeber aufgewendeten Mittel sowie auf den Grad der durch die Fortbildungsmaßnahme erworbenen Qualifikation.
Eine Bindungsdauer von fünf Jahren ist zwar nicht per se unangemessen. Sie wird aber nur dann für zulässig erachtet, wenn die vorherige Fortbildungsmaßnahme mehr als zwei Jahre angedauert hat und in dieser Zeit auch keinerlei Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht wurde. Im zu entscheidenden Fall dauerte die Fortbildungsmaßnahme zwar zwei Jahre, jedoch war die Beklagte hierfür insgesamt nur 50 Tage bezahlt freigestellt worden. Bei dieser Anzahl der freigestellten Tage griff das LAG auf die gefestigte Rechtsprechung des BAG zurück und machte deutlich, dass nur eine einjährige Bindungsdauer zulässig gewesen wäre. Die Kammer ließ daran anschließend nicht unbeachtet, dass die Klägerin mit EUR 14.280,00 vergleichsweise hohe Kosten übernahm. Aufgrund dessen wäre es angemessen gewesen, die Bindungsdauer um ein weiteres Jahr auf zwei Jahre zu erhöhen. Schließlich würdigte das BAG auch, dass die durch den Studiengang erworbene Masterqualifikation der Beklagten einen besonders werthaltigen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt verschafft. Ob dieser Umstand tatsächlich herangezogen werden könne, um die Bindungsdauer auf maximal drei Jahre zu erhöhen, ließ das LAG dann aber offen. Denn bereits zu diesem Punkt der Argumentation war klar: Eine fünfjährige Bindungsdauer ist deutlich zu lang und die Rückzahlungsverpflichtung in der Fortbildungsvereinbarung damit gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
An dieser Stelle der Entscheidung wird das Ausmaß des sog. Verbots der geltungserhaltenden Reduktion deutlich. Dieses verbietet dem Gericht, den Inhalt einer unwirksamen AGB-Klausel derart zu reduzieren, dass diese noch einen wirksamen Regelungsgehalt bekommt. An dieser Stelle bedeutet das konkret, dass das LAG eine zwei- bzw. dreijährige Bindungsdauer – obwohl diese abstrakt zulässig gewesen wäre – nicht anordnen durfte. Vielmehr war die Klausel als Ganze unwirksam. Da mit dem Fortfall der Klausel dem klägerischen Rückzahlungsbegehren der Rechtsgrund fehlt, wird der Rückzahlungsanspruch im Ganzen abgelehnt.
Praxishinweis
Zu den weiteren Berufungsgründen der Beklagten musste das LAG keine Stellung mehr beziehen, da bereits aufgrund der fünfjährigen Bindungsdauer eine Unwirksamkeit der Klausel gegeben war. In einem letzten Satz des Urteils ließen die Richter aber doch erkennen, dass Vieles dafür spreche, dass die Klausel „auch aus anderen Gründen zu beanstanden“ sei. Diese Aussage macht einmal mehr deutlich, dass die wirksame Gestaltung von Klauseln über Rückzahlungsverpflichtungen viele Fallstricke für Arbeitgeber bereithält. Ist der Inhalt der Klausel unwirksam, begründet das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion für den Arbeitgeber eine besonders harte Folge: Unwirksame Klauseln können durch das Gericht nicht mehr „gerettet“ werden, sodass solche Fortbildungskosten für den Arbeitgeber verlorene Aufwendungen bleiben. Zu ähnlichen Entscheidungen zu diesem Thema berichteten wir auch in unserem Newsletter Dezember 2023, welcher auf unserer Website zur Verfügung steht. Ein Abschluss einer solchen Vereinbarung sollte – so ist hier festzustellen – in Bezug auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse vor ihrem Abschluss anwaltlich geprüft werden.
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Jonas Anders, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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