Keine Beteiligung des Betriebsrates bei Vergütungsanpassung seiner Betriebsratsmitglieder
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin betreibt in Leipzig zwei Autohäuser und beschäftigt in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer. Sie ist an die Tarifverträge für das Kfz-Gewerbe in Sachsen gebunden. Es besteht ein Betriebsrat mit sieben Mitgliedern. Um das Amt des Vorsitzenden des Betriebsrats auszuüben, ist das Mitglied vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt (Im Folgenden der „Betriebsratsvorsitzende“). Nachdem der Betriebsratsvorsitzende das Assessmentcenter "Führungskräftepotenzial" erfolgreich durchlaufen hatte, stufte die Arbeitgeberin den Betriebsrat in eine höheren Entgeltgruppe des einschlägigen Tarifvertrags ein. Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen sei, den Betriebsrat an der Vergütungsanpassung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beteiligen. Dort heißt es unter anderem:
„[Der] Arbeitgeber [hat] den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten.“
Nach Ansicht des Betriebsrats lag hier eine Umgruppierung vor. Um das nach seiner Ansicht bestehende Recht auf Beteiligung durchzusetzen, wandte sich der Betriebsrat mit einem Antrag nach § 101 BetrVG zunächst an das Arbeitsgericht (ArbG) Leipzig. Dieses gab dem Betriebsrat Recht und der Arbeitgeberin auf, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Vergütungsanpassung einzuholen. Gegen die Entscheidung des ArbG wandte sich sodann die Arbeitgeberin mit einer Beschwerde an das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen. Das LAG bestätigte im Wesentlichen jedoch die Entscheidung des ArbG.
Die Arbeitgeberin reichte dagegen Beschwerde beim BAG ein. In dieser vertritt sie die Auffassung, dass § 99 BetrVG auf die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nicht anzuwenden sei. Zudem sei es nicht Sinn und Zweck des § 99 BetrVG, den Betriebsrat bezüglich der Vergütung seiner Mitglieder zu beteiligen, da insoweit ein Interessenkonflikt bestehe.
Entscheidung
Mit ihrer Beschwerde vor dem BAG hatte die Arbeitgeberin letztinstanzlich Erfolg. Der Senat entschied, dass dem Betriebsrat bei einer Vergütungsanpassung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht.
Der Wortlaut der Norm sieht eine Mitbestimmung des Betriebsrates nur im Falle einer Ein- oder Umgruppierung vor. Daher sei zu ermitteln, ob die in Rede stehende Vergütungsanpassung überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne der Norm darstelle. Eine Ein- oder Umgruppierung liegt dann vor, wenn die zu verrichtenden Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der maßgebenden Vergütungsordnung zugeordnet wird. Unter diese Definition lasse sich die Vergütungsanpassung des Betriebsratsvorsitzenden nach Auffassung des BAG nicht subsumieren.
Die Vergütung eines Betriebsratsvorsitzenden sei nämlich grade keine Entlohnung für erbrachte Arbeit im eigentlichen Sinne, sondern eine Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip. Die Ermittlung und auch die Anpassung dieser Vergütung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden erfolgt nach den Grundsätzen der § 37 Abs. 4 und § 78 Satz 2 BetrVG. In diesen Normen kommt einerseits ein Begünstigungsverbot andererseits ein Benachteiligungsverbot zum Ausdruck: es muss die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds der Vergütung eines vergleichbaren Arbeitnehmers entsprechen. Ferner macht der Gesetzgeber deutlich, dass einem Betriebsratsmitglied keine Nachteile dadurch entstehen dürfen, dass dieses das Amt im Betriebsrat übernommen hat. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte. Im vorliegenden Fall hätte ein mit dem betroffenen Betriebsratsvorsitzenden vergleichbarer Arbeitnehmer nach dem erfolgreichen Durchlaufen des Assessmentcenter "Führungskräftepotenzial" in eine höher vergütete Position aufsteigen können.
Mithin erfolgte die in Rede stehende Vergütungsanpassung nur, um eine Benachteiligung des Betriebsratsvorsitzenden gegenüber einem vergleichbaren Arbeitnehmer zu verhindern. Es wurden nach Ansicht der Richter lediglich die gesetzlichen Regelungen der §§ 37 und 78 BetrVG umgesetzt. Neben diese könne kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates selbst aus § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG hinzutreten.
Praxishinweis
Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder ist ein kaum zur Ruhe kommendes arbeitsrechtliches Thema. Arbeitgeber müssen hierbei den schmalen Grat zwischen Begünstigungsverbot und Benachteiligungsverbot treffen. Der Beschluss des BAG ist nach der Wortlautauslegung des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG zutreffend und aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Aber auch über den Gesetzeswortlaut hinaus, entfaltet die Entscheidung eine bedeutende Wirkung: Immer wieder kommt es vor, dass Betriebsräte den Versuch unternehmen, eine Mitwirkung an der Vergütung für die eigenen Mitglieder zu fordern. Nicht selten – und so auch im vorliegenden Fall – wird dafür seitens des Betriebsrats ein Antrag nach § 101 BetrVG gestellt, an dessen Ende ein gerichtlicher Beschluss als Entscheidung ergeht. Eigentlich sieht das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen der Arbeitnehmer jedoch das Urteilsverfahren vor, welches mit einem Urteil entschieden wird. Ihre Vergütungsansprüche müssten betroffene einzelne Betriebsratsmitglieder daher selbst und auf eigene Kosten im Urteilsverfahren geltend machen. Im Falle eines Beschlussverfahrens hingegen trägt nach § 12a ArbGG ausschließlich der Arbeitgeber die Kosten. Auf diese Weise versuchen Betriebsräte bzw. deren Mitglieder immer wieder, die Kosten der gerichtlichen Geltendmachung auf die Arbeitgeber abzuwälzen. Auch diesem Vorgehen erteilt das BAG nun offenbar – jedoch indirekt – eine Absage.
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