BAG – Geschäftsgeheimnisse und inwieweit sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesichert werden können
Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein führendes Unternehmen in der Branche der Produktion von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke einschließlich des dazu passenden Verpackungsmaterials. Der Beklagte war bei der Klägerin von 1988 bis 2016 in der Weiterentwicklung von Produkten beschäftigt, zuletzt in der Position des Central Technology Managers. Sein Arbeitsvertrag sah unter § 11 eine Geheimhaltungsverpflichtung vor, welche inhaltlich „alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ sowie „alle sonstigen Angelegenheiten der Gesellschaft“ erfasste. Die Klausel sah in S. 3 vor, dass diese Verpflichtung zur Geheimhaltung „über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ hinaus besteht. Damit entsprach diese Klausel einer häufig anzutreffenden Form.
Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2016. Unmittelbar danach fing er in der Position eines „Global Technology Manager“ bei einem der Hauptkunden der Klägerin an. Im Oktober 2018 wurde der Klägerin bekannt, dass der Beklagte noch im Jahr 2015 drei Mal unter einem Pseudonym per E-Mail Informationen über spezifische Leistungs- und Prozessdaten von Produkten der Klägerin an einen potentiellen Konkurrenten gesendet hatte. Daraufhin mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, was der Beklagte jedoch verweigerte.
Die Klägerin erhob daher Klage mit dem Hauptantrag, dem Beklagten die Weitergabe der Geschäfts- und Betriebsgeheinisse insbesondere hinsichtlich der konkret bezeichneten Produkt- und Prozessdaten zu untersagen. Das Arbeitsgericht Aachen wies die Klage ab, auch ein entsprechender Antrag der Klägerin auf Erlass einer einsteiligen Verfügung gegen den Beklagten blieb ohne Erfolg. Auch das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) wies die Berufung der Klägerin zurück, wogegen die Klägerin Revision zum BAG einlegte.
Rechtliche Ausführung:
Das BAG wies die Klage nun letztinstanzlich als unbegründet ab, weil es weder einen gesetzlichen noch einen vertraglichen Unterlassungsanspruch der Klägerin feststellen konnte.
Zunächst entschied das Gericht, dass ein etwaiger Unterlassungsanspruch auch für sog. Altfälle unter bestimmten Voraussetzungen anhand des § 6 GeschGehG zu beurteilen ist und nicht nach den zuvor geltenden § 17 Abs. 1 UWG aF i.V. m. § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB. Das GeschGehG trat im April 2019 in Kraft. Eine Regelung zum Umgang mit älteren Fällen, in denen die rechtsverletzende Handlung noch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes begangen wurde, wurde nicht getroffen. Damit besteht grundsätzlich ein Rückwirkungsverbot. Allerdings ist nach § 6 GeschGehG zu entscheiden, wenn dessen Voraussetzungen im Zeitpunkt der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Die Wiederholungsgefahr einer rechtsverletzenden Handlung kann dabei auch auf solche Verletzungshandlungen begründet werden, welche vor Inkrafttreten des GeschGehG begangen wurden und nach dem damals geltenden Recht, also hier §17 UWG, rechtswidrig waren.
Nach §6 GeschGehG kann der „Inhaber des Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzer auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen“. Die Voraussetzungen des § 6 GeschGehG lagen nach Ansicht des BAG aber nicht vor, weil die Weitergabe der technischen Daten und Anleitungen, wie dies der Beklagte mit seinen E-Mails getan hatte, keine Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG betroffen habe.
Ein Geschäftsgeheimnis ist kurz gesagt eine Information, die weder allgemein bekannt noch ohne Weiteres zugänglich ist, von wirtschaftlichem Wert ist und für deren Geheimhaltung angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen wurden sowie ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Um sich auf Geheimnisschutz berufen zu können, muss der Arbeitgeber daher nachweisen können, dass die Informationen durch geeignete objektive Maßnahmen geschützt wurden. Ein solcher Schutz ist nicht gegeben, wenn keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen wurden, so zum Beispiel auch durch entsprechende interne Zugangsbeschränkungen. Eine solche Geheimhaltungsmaßnahme könne hier auch nicht in der Einführung einer allgemeinen arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsklausel gesehen werden, da diese in ihrer umfassenden Ausformung als sog. „Catch-All-Klausel“ mit Wirkung über das Ende des Arbeitsverhältnisses so unwirksam sei, da sie „unbeschränkt und unendlich“ gelten solle.
Aus diesem Grund scheitere auch ein vertraglicher Geheimhaltungsanspruch. Nach Ansicht des BAG ist die Geheimhaltungsklausel des § 11 des Arbeitsvertrages als allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Es sei zwar grundsätzlich möglich, den Schutz des Geschäftsgeheimnisses vertraglich über den Rahmen des GeschGehG hinaus zu erweitern, der sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bezöge. Klauseln, welche die Verschwiegenheitspflicht uneingeschränkt auf „sämtliche Informationen und Angelegenheiten“ ausweiten, also nicht nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erfassten, zudem den Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt zur Geheimhaltung verpflichteten (sog. Catch-All-Klausel), gingen allerdings zu weit. Solche Klauseln stellten eine unangemessene Benachteiligung dar, da sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Verwendung sämtlicher betrieblicher Informationen untersagten und faktisch wie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot i.S.d. §§ 74 ff. HGB wirkten.
Sie greifen nach Ansicht des BAG tief in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers ein und sehen hierfür zumeist keine Entschädigung vor. Ausfluss der Berufsfreiheit eines Arbeitnehmers sei aber gerade das Recht, nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in Wettbewerb zum bisherigen Arbeitgeber zu treten, sei es durch eine Anschlussbeschäftigung bei einem Konkurrenten oder durch die Aufnahme einer Selbständigkeit. Hierbei dürfe der Arbeitnehmer das erworbene Erfahrungswissen einschließlich der ihm bekannt gewordenen Betriebsgeheimnisse zu seinem Vorteil nutzen.
Das BAG betonte hierbei, dass eine nachvertraglich Bindung durch vertragliche Geheimhaltungsklauseln nur hinsichtlich „einzelner, konkret bezeichneter Geschäftsgeheimnisse“ wirksam vereinbart werden könne. Voraussetzung für deren Angemessenheit ist aber, dass das Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers hinsichtlich der konkreten Information gegenüber der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers überwiegen.
Ausblick
Diese Entscheidung hat eine nachhaltige Bedeutung für die Vertragspraxis und dürfte die Überarbeitung vieler in Unternehmen verwendeter Arbeitsverträge erforderlich machen, aber auch entsprechende Klauseln in Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen. Weitgehende Geheimhaltungsklauseln gehören zu den Standardklauseln in vielen Arbeitsverträgen.
Zum einen ist festzuhalten, dass, auch um Geschäftsgeheimnisse wirksam über das GeschGehG schützen zu können, Arbeitgeber objektive und angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nachweisen können müssen. Dazu gehören wirksame Geheimhaltungsklauseln.
Geheimhaltungsklauseln sind hinsichtlich konkreter Geschäftsgeheimnisse klar zu definieren und regelmäßig zu überprüfen, um Schutzlücken mit kostspieligen Folgen für das Unternehmen zu vermeiden. Sofern die Geheimhaltungsklausel sich auf sämtliche Informationen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erstreckt, darf sie nicht über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinausgehen. Andernfalls riskiert der Arbeitgeber nicht nur, dass die vertragliche Geheimhaltungspflicht unwirksam ist, sondern erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des gesetzlichen Geheimnisschutzes.
Ein umfassendes Schutzkonzept, das regelmäßig überprüft und angepasst wird, ist jedoch ebenfalls unerlässlich. Die Maßnahmen sollten sich am Schutzbedarf des jeweiligen Geheimnisses orientieren und technische, organisatorische sowie vertragliche Aspekte umfassen.
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